Fr. Apr 19th, 2024

Es gibt rund 1,2 Milliarden Raucher weltweit. Etwa die Hälfte davon stirbt vorzeitig an den Folgen ihres Lasters. Um Raucher von ihrer Sucht zu befreien, setzen einige Länder auf Warnhinweise oder Schockbilder auf Tabakwaren. Diese haben jedoch nur mäßigen Erfolg. Warum das so ist, haben Wissenschaftler nun mit einem Blick ins Gehirn untersucht.‘

Raucher haben deutliche Veränderungen in der Emotionsverarbeitung, wenn sie mehrere Stunden nicht geraucht haben. Das hat ein Forscherteam unter Leitung des Universitätsklinikums Bonn festgestellt. Nach zwölfstündiger Nikotinabstinenz war bei den Süchtigen das Furchtzentrum im Gehirn weitgehend außer Kraft gesetzt.

„Wir haben insgesamt 56 Personen im Alter bis Ende 20 untersucht. 28 davon waren Raucher, die seit neun Jahren am Tag durchschnittlich 17 Zigaretten konsumierten, die anderen 28 Probanden waren Nichtraucher“, sagt René Hurlemann, Oberarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums in Bonn von den Studienteilnehmern im Gespräch mit n-tv.de.

Die Probanden mussten sich nicht die Schockbilder ansehen, die auf Zigarettenschachteln abgedruckt werden, sondern Bilder von Menschen mit drei verschiedenen Gesichtsausdrücken. „Diese Bilder sind als ideale Stimulantia für emotionale Untersuchungen üblich“, erklärt Hurlemann die Verfahrensweise. Die Bilder zeigten glückliche, neutrale und angsterfüllte Gesichter. Währenddessen wurde bei allen Probanden die Gehirnaktivität mit Hilfe eines Magnetresonanztomografen gemessen. Besonderes Augenmerk legten die Forscher auf das Furchtzentrum im Gehirn, die sogenannte Amygdala. Sie ist so groß wie ein Mandelkern und sitzt, paarig angeordnet, im Schläfenlappen. Zwischen Rauchern, die bis eine Stunde vor dem Test rauchen durften, und Nichtrauchern konnten zunächst keine Unterschiede bei der emotionalen Verarbeitung festgestellt werden.

Furchtzentrum setzt aus
Das änderte sich, als die Raucher für zwölf Stunden auf Nikotinentzug gesetzt wurden. Das Furchtzentrum im Gehirn der Raucher zeigte bei den Bildern mit angsterfüllten Gesichtern keinerlei Regung mehr. „Das ist ein problematischer Befund“, meint Hurlemann, „denn Furcht ist ein archaischer Trieb, der uns Menschen vor Gefahren schützen soll. Das Alarmzentrum im Gehirn scheint einfach nicht mehr auf angsteinflößende Reize zu reagieren.“

Die Forscher ziehen aus ihren Befunden mehrere Schlüsse. Raucher, die längere Zeit nicht rauchen, leben gefährlicher als Nichtraucher, weil sie für bedrohliche Umweltreize nicht mehr so empfänglich sind. Außerdem reagieren abstinente Raucher auch auf soziale Signale aus ihrer Umgebung nicht mehr so wie Nichtraucher – vor allem, wenn es um Angst geht. Aus diesem Grund gehen die Forscher davon aus, dass Schockbilder bei Rauchern auf Entzug keine schockierende Wirkung haben.

Nikotin erhält Hirnfunktionen
Raucher können die Funktion der Amygdala also nur aufrecht erhalten, wenn sie Nikotin konsumieren. Über die genauen Ursachen können die Forscher bisher nur spekulieren. „Es scheint so zu sein, dass sich das Gehirn von Rauchern auf einen bestimmten Spiegel von Nikotin eingestellt hat und nur bei entsprechender Zufuhr richtig funktioniert“, erläutert Hurlemann seinen Ansatz. Dieser Befund deckt sich mit den Ergebnissen aus Tierversuchen. Auch hier hat man festgestellt, dass beispielsweise Lernprozesse weniger erfolgreich sind, wenn das Tier im Nikotinentzug ist. Auch bei Lernprozessen spielt die Amygdala eine tragende Rolle.

Die Wissenschaftler sind sich einig darüber, dass die Schockbilder auf Zigarettenschachteln für mittelschwer abhängige Raucher, also ähnlich wie die rauchenden Probanden, kaum Wirkungen haben werden. Das heißt nicht, dass solche Kampagnen sinnlos sind: Nichtraucher hingegen könnten dadurch auch in Zukunft vom Rauchen abgehalten werden

Von Sebastian

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