Sigmund Freud (geboren am 6. Mai 1856 in Freiberg in Mähren, damals Kaisertum Österreich, heute tschechisch Příbor, als Sigismund Schlomo Freud; gestorben am 23. September 1939 in London) war ein österreichischer Neurologe, Tiefenpsychologe, Kulturtheoretiker und Religionskritiker. Als Begründer der Psychoanalyse erlangte er weltweite Bekanntheit. Freud gilt als einer der einflussreichsten Denker des 20. Jahrhunderts. Seine Theorien und Methoden werden bis heute angewandt und diskutiert.
Neurophysiologie und Pharmakologie – Untersuchungen mit Kokain
1882 trat Freud eine Stelle im Wiener Allgemeinen Krankenhaus unter Theodor Meynert an, die er bis 1885 innehatte. Dort arbeitete er im Laboratorium für Gehirnanatomie im Bereich der Neurophysiologie. Von 1884 bis 1887 befasste sich Freud eingehend mit der Pharmakologie des Stimulans Kokain, einer damals noch wenig bekannten Droge, die ein deutscher Militärarzt eingesetzt hatte, um die körperliche Ausdauer seiner Männer zu steigern. Seine Studie über Kokain, für die Freud auch Selbstversuche unternommen hatte, wurde 1884 veröffentlicht und war Grundlage der damals revolutionären Entdeckung der lokalanästhetischen Wirkung des Kokains am Auge, nachgewiesen durch Versuche von Carl Koller. Versuche, seinen morphiumsüchtigen Freund und Kollegen Ernst von Fleischl mit Kokain zu heilen, misslangen, und Fleischl wurde kokainabhängig. Allerdings hatte Freud ihm geraten das Kokain nur intern (also oral) anzuwenden und von anderweitiger Verwendung abzusehen. Gegen seinen Rat begann sich Fleischl Kokaininjektionen zu machen. Freud gab das jedoch nicht sofort in seinen Publikationen an, sondern erst 1899 in seinem späteren Werk „Die Traumdeutung“. Bekannt wurde dies durch Freuds Freund und Biograph Ernest Jones, der den Briefwechsel ausgewertet hat. Freud selbst nutzte über Jahre die therapeutische Wirkung des Kokains ohne eine Toleranzentwicklung. Seine inzwischen vollständig veröffentlichte Korrespondenz mit Wilhelm Fließ bestätigt, dass er bis 1895 Kokain, das Fließ ihm verschrieb, zur lokalen Behandlung von Nebenhöhlenentzündungen verwendete.
Es, Ich und Über-Ich
In der ersten Topik unterschied er das „Bewusste“ vom größeren und einflussreicheren „Unbewussten“ und legte dar, wie das Unbewusste das Bewusstsein beeinflusst. In der zweiten Topik, die er vor allem in seiner Schrift Das Ich und das Es (1923) entwickelte, führte Freud erstmals seine Theorie über das Es, das Ich und das Über-Ich näher aus. Den Begriff Es übernahm Freud von dem Arzt und Wegbereiter der Psychosomatik Georg Groddeck, allerdings mit einer veränderten Bedeutung.
Das Es bildet das triebhafte Element der Psyche und kennt weder Verneinung noch Zeit oder Widerspruch. Damit bezeichnet Freud jene psychische Struktur, in der die Triebe (z. B. Hunger, Sexualtrieb), Bedürfnisse und Affekte wie Neid, Hass, Vertrauen oder Liebe gründen. Die Triebe, Bedürfnisse und Affekte sind auch Muster (psychische „Organe“), mittels derer wir weitgehend unwillentlich bzw. unbewusst wahrnehmen, und durch die unser Handeln geleitet wird.
Das Ich, Randgebiet des „Es“, bezeichnet jene psychische Instanz, die mittels des vernünftigen und selbstkritischen Denkens sowie mittels kritisch-rational gesicherter Normen, Wertvorstellungen und Weltbild-Elemente realitätsgerecht vermittelt „zwischen den Ansprüchen des Es, des Über-Ich und der sozialen Umwelt mit dem Ziel, psychische und soziale Konflikte konstruktiv aufzulösen (= zum Verschwinden zu bringen).“ (Rupert Lay, Vom Sinn des Lebens, 212)
Denken, Erinnern, Fühlen, Ausführen von Willkürbewegungen
Vermittler zwischen impulsiven Wünschen des Es und des Über-Ich
sucht nach rationalen Lösungen
ist zum größten Teil bewusst
Das Über-Ich schließlich bezeichnet jene psychische Struktur, in der die aus der erzieherischen Umwelt verinnerlichten Handlungsnormen, Ich-Ideale, Rollen und Weltbilder gründen.
„Gewissen“
moralische Instanz, Wertvorstellungen
Gebote und Verbote der Eltern und subjektiv empfundene Autoritäten dienen als Vorbild
Vorstellungen von Gut und Böse
der Gegenpart zum Es
Das Ich und das Über-Ich entstehen aus dem Es. Die Verdrängung von Vorstellungen (insbesondere solchen aus dem Es) wird dem Über-Ich zugeschrieben. Dieses ist ein Teil des Ich und beurteilt seine Gedanken, Gefühle und Handlungen. Das Über-Ich entsteht nach Freud mit der Auflösung des Ödipus-Komplexes (ca. im 5. Lebensjahr). Nach Freud entsteht ein Großteil der Motivation menschlichen Verhaltens aus dem unbewussten Konflikt zwischen den triebhaften Impulsen des Es und dem strengen, bewertenden Über-Ich (vgl. die Konzepte zur Abwehr und Sublimierung). Nach Freud unterliegen auch manche Aspekte der Gesellschaft einer solchen Triebdynamik.
Entwicklungsmodell der Psyche
Nach den ersten Lebensmonaten erfahre ein Neugeborenes immer deutlicher, dass es von Dingen und anderen Menschen unterschieden ist. Es entwickle ein erstes Bewusstsein von den eigenen Körpergrenzen und Selbstwahrnehmungen. „In den folgenden vier Lebensjahren lernt ein Kind (vorsprachlich und deshalb auch unbewusst) die Fragen zu beantworten: ‚Wer bin ich?‘ – ‚Was kann ich?‘ und somit sein Selbstbewusstsein auch inhaltlich zu füllen.“[42] Um das Es herum wird also eine Zone aufgebaut, die man als frühes Ich bezeichnen kann. Das frühe Ich, das sich wie eine Hülle um das Es legt, wird somit von den frühen Körperrepräsentanzen und den frühen Selbstrepräsentanzen gebildet. Die frühen Körperrepräsentanzen seien die kindlich grundgelegten Bewusstseins- und Gefühlsinhalte über Körperbereiche. Zu den frühen Selbstrepräsentanzen zählen die kindlich grundgelegten Bewusstseins- und Gefühlsinhalte bezüglich der eigenen Person. Sie bestimmten den Sozialcharakter und all unsere später erworbenen Selbstvorstellungen (wer wir sind, was wir fürchten und erhoffen, was wir uns zutrauen etc.) auf unterschiedliche Weise mit.