Antipsychotika wirken am besten bei schweren Psychosen. Bei milden Formen ist das nicht unbedingt der Fall, wie japanische Forscher herausgefunden haben – die Nebenwirkungen fallen hier viel mehr ins Gewicht.
Seit Jahren gibt es eine Diskussion, ob moderne Psychopharmaka auch bei leicht Erkrankten mehr nützen als schaden.
So ist etwa bei Patienten mit sehr ausgeprägten Depressionen der Nutzen unumstritten, je milder aber die Symptome, umso stärker fällt der ausgeprägte Placeboeffekt ins Gewicht.
In einigen Studien ließ sich bei leicht Depressiven kein Nutzen von SSRI und anderen modernen Antidepressiva nachweisen, in anderen hingegen schon.
Nun sind japanische Forscher einer ähnlichen Frage zur Therapie mit Antipsychotika nachgegangen (JAMA Psychiatry 2014; online 5. November).
Sie wollten wissen, ob der Therapieeffekt von der Schwere einer Schizophrenie-Episode abhängt. Das ist nach den Daten ihrer Analyse tatsächlich der Fall, wenngleich der Nutzen auch bei leichten Verlaufsformen klar erkennbar ist.
PANSS und SANS als Messgröße
Für ihre Untersuchung haben sich die Forscher um Dr. Toshi Furukawa von der Universität in Kyoto drei Studien angeschaut, in denen Olanzapin und Risperidon bei akuter Schizophrenie gegen Placebo verglichen wurden.
Zudem interessierten sie sich für drei weitere Studien, an denen Patienten mit ausgeprägten Negativsymptomen teilgenommen hatten.
Diese waren alle mit Amisulprid oder Placebo behandelt worden. Zu allen sechs Studien lagen Daten der einzelnen Patienten vor, sodass die Forscher diese poolen und nach Ausprägung der Erkrankung stratifizieren konnten.
Für die ersten drei Studien wählten sie die Positiv- und Negativ-Symptomskala (PANSS, 30-120 Punkte) als Messgröße, für die übrigen die „Scale for the Assessment of Negative Symptoms“ (SANS, 0-125 Punkte).
Die Studien hatten eine Dauer zwischen sechs Wochen und zwei Jahren, insgesamt waren 718 Patienten beteiligt.
Wie sich zeigte, war die Wirksamkeit der Medikamente im Vergleich zu Placebo umso besser, je schwerer ein Patient akut erkrankt war.
Teilten sie die Patienten in vier Gruppen, so zeigten diejenigen mit leichten Episoden (PANSS-Wert zu Beginn im Schnitt 58 Punkte) nach sechs Wochen einen um 9,5 PANSS-Punkte stärkeren Rückgang als mit Placebo, diejenigen mit moderater Erkrankung (PANSS = 75) einen Unterschied um 13,7 Punkte, diejenigen mit schwerer Erkrankung (PANSS = 95) einen Unterschied um 18,8 Punkte, und schließlich diejenigen mit sehr schwerer Schizophrenie (PANSS mehr als 116) eine Differenz von 24 Punkten.
Relativ betrachtet gingen die Symptome jedoch in allen vier Gruppen um etwa ein Viertel stärker zurück als mit Placebo.
Leichte Symptome – leichter Effekt
Ähnliche Resultate brachte die Analyse der drei Studien mit Amisulprid: Bei Patienten mit leichten Negativsymptomen (SANS zu Beginn im Schnitt 55 Punkte) lag die Differenz zu Placebo nach sechs Wochen im Schnitt bei 1,7 Punkten, moderat Erkrankte (SANS = 70) zeigten einen Unterschied von 5,7 Punkten und Schwerkranke (SANS = 85) von 9,7 Punkten.
Hier divergierten allerdings auch die relativen Unterschiede: So verbesserten sich die leicht Kranken im Vergleich zu Placebo nur um etwa 3 Prozent, die Schwerkranken hingegen um über 11 Prozent.
Nun mag es nicht überraschen, dass der Placeboeffekt umso weniger durchschlägt, je ernster jemand erkrankt ist, und daher bei Schwerkranken auch eher der Nutzen einer Behandlung deutlich wird. Interessant ist viel eher die sich daraus ergebende Frage, ab wann denn genau eine Behandlung mit Antipsychotika lohnt.
Das Team um Furukawa antwortet hierauf mit einer Berechnung der Effektstärke. Eine leichte Effektstärke (definiert als Wert über 0,2) fanden sie bereits bei einem PANSS-Score von 40 Punkten sowie einem SANS-Score von 65 Punkten.
Ein mittlerer Effekt (0,5) ist bei PANSS-Werten ab 70 und SANS-Werten ab 95 zu erwarten, ein starker Effekt (über 0,8) bei PANSS-Werten über 95, bei den Negativsymptomen hingegen gar nicht.
Lohnt sich also erst eine Therapie bei mindestens 40 PANSS- oder 65 SANS-Punkten? Für die Autoren sind noch andere Faktoren entscheidend. So werden Antipsychotika in der Regel auch zur Rezidivprophylaxe eingesetzt. Es ist also der gesamte Verlauf der Erkrankung zu betrachten, nicht nur die Stärke der aktuellen Episode.
Zudem reagieren Patienten individuell sehr unterschiedlich auf die Therapie. Andererseits sollte die Wirksamkeit gerade bei leichten Psychosen nicht überschätzt werden: „Leicht erkrankte Patienten profitieren weniger von der Therapie, erfahren aber im gleichen Maße sämtliche Nebenwirkungen“, schreiben Furukawa und Mitarbeiter.
Quelle: Ärztezeitung
Leider werden bei psychotischen Kennmerken sofort Antipsychotika verschrieben. Es wird nicht ueberlegt, ob ein Patient der mit einer leichteren Psychose umgehen kann, vielleicht besser kein Medikament einnehmen sollte. Das ist unverantwortlich, da es dem Patienten abspricht selber ueber seinen Zustand entscheiden zu koennen. Ab einem gewissen Grad geht dies leider nicht mehr, aber in vielen Faellen sehr wohl. Wenn der Patient keine Angst und keine Agression empfindet, noch immer zwischen den Halluzinationen und der Wirklichkeit unterscheiden kann, dann sollte man das respektieren. In Norwegen ist gerichtlich beschlossen, dass man sich bei Pychose gegen Medikamente entscheiden kann, da diese nur in 23 % wirksam sind und mehr Schaden als nutzen