1. Die aufkeimende Frustration, wenn man aufgefordert wird, sich „zusammenzureißen“
Die bittere Wahrheit ist, dass man Depressionen nicht einfach über Nacht ablegen kann – und wer dies behauptet, vermittelt eine wenig hilfreiche Botschaft. Laut John F. Greden, Geschäftsführer des University of Michigan Comprehensive Depression Center, sind solche Sprüche oft auf ein mangelndes Verständnis für psychische Erkrankungen zurückzuführen.
„Wenn [Angehörige] nicht verstehen, was los ist, reagieren sie mit Aussagen wie ‚Stell Dich nicht so an’ oder ‚Hör auf, dich selbst zu bemitleiden’“, so Greden im Gespräch mit der Huffington Post. „Derartige Aussagen werden immer dann getroffen, wenn kein Verständnis dafür besteht, dass zugrundeliegende Erkrankungen und chemische Abnormitäten vorliegen. … Derartige Kommentare reizen wahrscheinlich am meisten.“
2. Depressionen werden ständig mit Traurigkeit verwechselt
Es ist ein weitverbreitetes Vorurteil, dass Depressionen aus übermäßiger Traurigkeit entstehen. Doch wie David Kaplan, Chief Professional Officer bei der American Counseling Association (amerikanischer Verband von Therapeuten) betont, handelt es sich dabei nicht um ein und dasselbe.
„Der Ausdruck ‚deprimiert’ wird sehr häufig verwendet“, so Kaplan in einem früheren Gespräch mit HuffPost Healthy Living. „Depression ist ein klinischer Begriff – und Menschen, die sich als deprimiert bezeichnen, meinen damit eigentlich oft, dass sie traurig sind. Unsere Worte haben sehr viel Einfluss und es ist wichtig, dass wir diese Unterscheidung treffen.“
3. Es gibt keine kleinen Siege
Für Menschen, die an einer chronischen Depression leiden, gibt es keine kleinen Siege, weil jede Leistung ein großer Sieg ist.
Während tägliche Routineabläufe für die meisten Menschen ganz normal sind, stellen sie für depressive Menschen eine viel größere Leistung dar, erklärt Jonathan Rottenberg, Privatdozent für Psychologie an der University of South Florida. „Warum liegen depressive Menschen im Bett? Es geht ihnen nicht um die Kuschelstunde unter der Decke. Es liegt daran, dass depressive Menschen es nicht schaffen, aufzustehen“, schrieb er in einem Blog-Artikel für „Psychology Today“. „Fast jede Aktivität oder Aufgabe wird zur schmerzhaften Qual, sogar einfache Dinge wie duschen oder sich anziehen.“
4. Antriebslosigkeit bedeutet mehr als ein ganz normales Nachmittagstief
Das Tief um 15 Uhr, wenn man das Gefühl hat, seine dritte Tasse Kaffee zu brauchen, ist kaum vergleichbar mit dem Absinken des Energielevels, wenn man Depressionen hat. Greden erklärt, dass sich aufgrund dieser Antriebslosigkeit eine Depression so anfühlen kann, als würden die Muskeln nicht mehr funktionieren. „Es macht es wirklich schwierig, zur Arbeit zu gehen, sich zu konzentrieren, zu lachen, sich auf Aufgaben zu fokussieren, wenn man derart leidet“, sagt er.
5. Man hat körperliche Symptome – und die sind genauso anstrengend wie die emotionalen
„Auf gewisse Weise werden Depressionen als Gemütszustand angesehen, doch das ist ein großes Missverständnis“, so Greden. „Depressionen beinhalten für viele Betroffene tatsächlich schwerwiegende körperliche Symptome. Viele halten sich deshalb nicht für depressiv sondern glauben, dass etwas anderes nicht stimmt.“
Wenn man an Depressionen leidet, kann dies bereits vorhandene körperliche Beschwerden noch verschlimmern, erklärt Greden. Weitere körperliche Symptome sind Ruhelosigkeit, Verdauungsstörungen, Übelkeit, Kopfschmerzen und Ermüdungserscheinungen an Gelenken und Muskeln. „Diese körperlichen Symptome in Kombination mit den psychischen Symptomen beeinflussen den normalen Tagesablauf“, merkt er an. „Es hängt alles zusammen.“
6. Dinge, die früher Spaß gemacht haben, sind nicht mehr so amüsant
Depressionen können sogar die kleinsten Vergnügen im Leben beeinflussen. Sich mit Freunden treffen, Freizeitaktivitäten wie Golfen und sogar Intimität mit dem Partner – all das ist nicht mehr so aufregend wie früher, so Greden. „Depressionen verändern das Leben extrem.“
Diese Antriebslosigkeit in Kombination mit körperlichen Symptomen sind alles Warnhinweise bei der Diagnose der Krankheit. Um jemandem zu helfen, der sich vielleicht gerade in so einem Tief befindet, empfiehlt Greden, ihm oder ihr unvoreingenommen zu begegnen und ständige Unterstützung anzubieten, dazu zählt auch die Hilfe bei der Suche nach einer Behandlungsmöglichkeit.
7. Die Probleme, seine Gefühle auszudrücken
Wenn man an Depressionen leidet, ist es manchmal schwer in Worte zu fassen, was in einem vorgeht, weil man weiß, dass nicht alle um einen herum sich genauso fühlen – vor allem, wenn die Krankheit stigmatisiert wird. Nach Angaben der Centers for Disease Control and Prevention (Zentren für Krankheitskontrolle und Prävention) gehen nur 25 Prozent aller Erwachsenen mit psychischen Problemen davon aus, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen Mitgefühl entgegengebracht wird.
„Depressionen erzeugen ein negatives Bild von einem selbst, von der Welt und von der Zukunft“, erklärt Greden. „Alles wird wie durch eine dunkle Brille wahrgenommen. … Wenn Menschen an Depressionen leiden, sind sie meist überzeugt davon, dass keiner sie versteht – und das ist ein wirklich schwieriger Zustand.“
8. Es gibt kein allgemeingültiges Krankheitsbild
Jeder erlebt die Depression auf seine oder ihre eigene Weise – und deshalb empfehlen Experten, dass man einfühlsam mit Angehörigen umgehen sollte, die damit zu kämpfen haben. „Die Symptome sind unterschiedlich, die Ursachen sind unterschiedlich, die Behandlungsweisen sind unterschiedlich“, erklärt Greden. „Arbeit, Beziehungen, Familien – diese Krankheit verändert alles.“
Wie HuffPost-Bloggerin Hannah Sentenac in einem Artikel über die Erfahrungen, die sie in ihrem Leben mit Depressionen gemacht hat, schreibt, geht jeder seinen eigenen Weg: „Manche Menschen brauchen Medikamente. Für andere kann eine langfristige Psychotherapie die Lösung sein“, schrieb sie. „Je nachdem, was funktioniert. Ich behaupte nicht, dass mein Weg auch für jemand anderen der Beste ist. Aber ich behaupte, dass jeder seinen Heilungsweg finden kann – und am wichtigsten ist es, immer dranzubleiben. Niemals aufzugeben.“
Es gibt zwei Möglichkeiten, anderen zu helfen, die Qual der Depressionen zu durchbrechen, so Greden. Zum einen sollte man jegliche Gedanken, die das Stigma von psychischen Erkrankungen aufrechterhalten, verbannen. „Wir brauchen viel mehr Offenheit, Transparenz und Verständnis dafür, dass es in Ordnung ist, Depressionen als Krankheit zu bezeichnen“, erklärt er. „Es ist keine Schwäche. Es ist kein moralisches Defizit. Es ist nichts, was die Betroffenen selbst erzeugt haben. Und man muss begreifen, dass dies ein sehr wichtiger Anfang ist, um einem Angehörigen mit Depressionen zu helfen.“
Dieser Artikel ist ursprünglich bei „The Huffington Post USA“ erschienen.