Fr. Mrz 29th, 2024

Nicht jeder baut Psychopharmaka gleich schnell ab. Manchmal sind Therapieprobleme auf Cytochrom-Genvarianten zurückzuführen. Besonders häufig ist das bei Trizyklika und einigen Neuroleptika der Fall.

Ärzte kennen das Problem: Bei manchen Patienten wirkt ein Medikament in normaler Dosierung überhaupt nicht, bei anderen scheint sich selbst in niedriger Dosierung ein Großteil der Nebenwirkungen auf dem Beipackzettel zu manifestieren.

Ein Grund kann die unterschiedlich schnelle Metabolisierung sein, die bei manchen Patienten zu extrem hohen Plasmaspitzen mit entsprechenden Nebenwirkungen führt, bei anderen erst gar keine therapeutisch wirksamen Serumspiegel aufkommen lässt.

Vor dem Hintergrund, dass in Europa jährlich geschätzte 25.000 bis 50.000 Menschen an den Folgen einer fehlerhaften Medikation sterben, wäre es wichtig, gerade solche Patienten ausfindig zu machen, die ein besonders hohes Risiko für stoffwechselbedingte unerwünschte Wirkungen haben, berichtete Professor Julia Stingl von der Abteilung Forschung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).

Von besonderer Bedeutung seien hierbei Psychopharmaka und andere ZNS-Arzneimittel. Sie verursachten etwa ein Drittel aller gemeldeten unerwünschten Wirkungen, sagte Stingl auf dem DGPPN-Kongress in Berlin.

Trizyklika sind für Langsam-Metabolisierer besonders problematisch

Etwa ein Viertel aller Arzneimittel, darunter auch viele Psychopharmaka, werden vom Cytochrom-P450-Isoenzym 2D6 (CYP2D6) verstoffwechselt. In Europa hat etwa jeder Fünfte eine Genvariante, die den Metabolismus über 2D6 verlangsamt, fünf bis zehn Prozent sind homozygot für das Allel.

Bei ihnen erreichen manche Medikamente sechsfach höhere Plasmaspiegel als dies normalerweise der Fall ist. Das Risiko für unerwünschte Wirkungen ist dann im Schnitt verdoppelt, sagte Stingl.

Doch die Varianz im Stoffwechsel ist nicht bei allen Arzneien gleich, die über 2D6 verarbeitet werden. Bei einigen variiert die Clearance sehr stark: Patienten mit einer Genvariante für einen ultraschnellen 2D6-Metabolismus – das sind etwa 3 Prozent der Bevölkerung – eliminieren solche Medikamente dann etwa zehnmal schneller als Patienten mit einer Genvariante für einen besonders langsamen Abbau.

Zu den Medikamenten mit hoher Varianz zählen unter den Antidepressiva vor allem Trizyklika wie Desipramin, Imipramin, Doxepin und Nortriptylin.

Nur geringe Unterschiede bei Citalopram und Bupropion

Hier ist also am ehesten mit Therapieversagen oder pharmakogenetisch bedingten Nebenwirkungen zurechnen. Besonders geringe Unterschiede gibt es bei Citalopram und Bupropion – bei diesen Arzneien unterscheidet sich die Elimination nicht sonderlich zwischen Schnell- und Langsam-Metabolisierern, ein 2D6-Polymorphismus als Ursache für Therapieprobleme ist daher eher unwahrscheinlich. Die meisten SSRI liegen im Mittelfeld.

Eine entsprechende Varianz lässt sich auch bei Antipsychotika beobachten: Große Unterschiede zwischen Langsam- und Schnell-Metabolisierern zeigen Haloperidol-Decanoat, Thioridazin und Perphenazin, gering sind die Unterschiede dagegen bei Perazin und Flupenthixol, im Mittelfeld befinden sich die meisten modernen atypischen Neuroleptika.

Die therapeutischen Konsequenzen, die sich daraus ergeben, hätten inzwischen auch Eingang in unterschiedliche nationale Leitlinien gefunden, sagte Stingl. So wird bei 2D6-Langsam-Metabolisierern in der Regel empfohlen, nur die halbe Trizyklika-Dosis zu verwenden oder eben auf andere Antidepressiva auszuweichen.

Besteht der Verdacht, dass ein CYP2D6-Polymorphismus die Ursache für Therapieversagen oder unerwünschte Wirkungen ist, dann lässt dich dies mithilfe eines gängigen Labortests recht unkompliziert nachweisen.

Einfluss auf das Suizidrisiko?

CYP2D6 ist jedoch nicht nur am Abbau vieler Psychopharmaka beteiligt, möglicherweise hat das Enzym auch einen Einfluss auf die Pathogenese psychischer Erkrankungen. Stingl verwies auf Untersuchungen, wonach ultraschnelle 2D6-Metabolisierer vermehrt Suizidversuche unternehmen.

Dies ließ sich sowohl bei Patienten mit Depressionen als auch bei solchen mit Essstörungen beobachten, zudem ergaben Autopsien bei Suizidopfern eine erhöhte Rate von ultraschnellen 2D6-Metabolisierern, wobei hier allerdings nicht bekannt ist, ob die Patienten zuvor Antidepressiva eingenommen hatten, die dann nicht ausreichend wirkten. Dies könnte natürlich ebenfalls die erhöhte Suizidrate erklären.

Stingl sieht allerdings auch Hinweise, dass CYP2D6 direkt die Hirnfunktion beeinflusst. Bekannt ist jedenfalls, dass 2D6 nicht nur in der Leber, sondern auch im Gehirn aktiv ist. „Möglicherweise hat das Enzym hier eine andere Funktion.“

Darauf deuten auch Untersuchungen ihrer Arbeitsgruppe bei gesunden Probanden. Die Forscher hatten Daten zur Ruhe-Hirn-Perfusion aus der fMRT-Bildgebung ausgewertet und die Beteiligten genotypisiert.

Dabei fanden sie deutliche Unterschiede bei 2D6-Varianten in Hirnarealen, die für die Aufmerksamkeit wichtig sind. Die Bedeutung solcher Befunde ist allerdings noch unklar. (mut)

Quelle: Ärzteblatt

Von Sebastian

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