Do. Apr 18th, 2024

Eine Reihe epidemiologischer Untersuchungen belegt, dass Nikotinabhängigkeit häufiger bei Personen mit Angststörungen als bei Personen ohne Angststörungen auftritt (z.B. Breslau et al. 1991; Gilbert et al. 1995).

Die im Folgendem dargestellten Befunde beziehen sich vor allem auf den Zusammenhang von Nikotinabhängigkeit und sozialer Phobie, da diese Angststörung bei Kindern und Jungendlichen besonders häufig vorliegt (Wittchen et al. 1999). Zudem scheint der Zusammenhang zwischen Sozialer Angst und Rauchen besonders plausibel und alltagsrelevant, da Rauchen als effiziente, sozial akzeptierte Möglichkeit gilt, soziale Unversichert zu kompensieren und das Knüpfen von Kontakten zu erleichtern.

In der EDSP-Studie waren zum Zeitpunkt der Basisuntersuchung 31,9% der Jugendlichen iim Alter zwischen 14 und 24 Jahren mit sozialer Phobie und 26,4% der Jugendlichen mit subklinischen sozialen Ängsten irgendwann in ihrem Leben nikotinabhängig gewesen. Dagegen waren nur 15,4% der Personen ohne soziale Ängste betroffen. Wie bei den Alkoholstörungen ist bei Nikotinabhängigkeit noch unklar, welche Mechanismen den Zusammenhang bedingen, obgleich auch in diesem Bereich die Selbstmedikationshypothese favorisiert wird. Es wird vermutet, dass Rauchen zielt als Mittel zu Bewältigung sozialer Ängste eingesetzt wird, was verstärkten Konsum und Nikotinabhängigkeit begünstigt. Ergebnisse der EDSP-Studie setzten diese Annahme: 71% der Nikotinabhängigen, welche lebenszeitbezogen auch von sozialen Ängsten berichten, datieren den Beginn des Nikotinkonsums eindeutig nach dem Beginn der Ängste (Müller 2002). Jugendliche mit sozialen Ängsten, aber noch ohne Nikotinabhängigkeit, wurden während des darauf folgenden, vierjährigen Untersuchungszeitraum häufiger nikotinabhängig als Jugendliche ohne diese Ängste.  Eine voll ausgeprägte soziale Phobie erweis sich dagegen nicht als Prädiktor für den Beginn von Nikotinabhängigkeit (Sonntag et al 2000). Möglicherweise sind Personen mit dem vollen Störungsbild einer sozialen Phobie so stark beeinträchtigt, dass sie soziale Situationen weitestgehend meiden und  somit Rauchen zur Bewältigung diese Situationen irrelevant wird. Anderseits könnten auch zu geringe Fallzahlen oder das doch schon zu hohe Alter der Stichprobe, in dem diesbezüglich entscheidend Entwicklungsprozesse möglicherweise bereits abgeschlossen und deshalb nicht beobachtbar waren, verantwortlich sein.

Soziale Ängste scheinen nicht nur mit dem Beginn, sondern auch mit einer erhöhten Stabilität von Nikotinabhängigkeit in Verbindung zu stehen. In der EDSP-Studie dauert die Nikotinabhängigkeit bei 86,1% der abhängigen Raucher mit sozialer Phobie aber nur 47,8% der abhängigen Raucher ohne soziale Phobie im vierjährigen Follow-up-Zeitraum an. Dabei war von Bedeutung, ob die soziale Phobie als vorübergehendes Problem bereits remittiert war oder noch aktuell vorlag: 11,3% der Jugendlichen, die nie von sozialen Ängsten betroffen waren, hielten ihren bereits bestehenden Nikotinkonsum auch während der Folgeuntersuchungszeitraums aufrecht. Dagegen fanden sich unter den Jugendlichen mit remittierter sozialer Phobie 22,7% und unter den Jugendlichen mit andauernder sozialer Phobie sogar 30,7% stabile Raucher (Müller 2002).

Nicht alle Längstschnittuntersuchungen liefern Belege für einen Zusammenhang. So ergab sich in der Studie von Entminger et el. (1982) bei Jungen, die in der ersten Klasse als schüchtern eingeschützt worden waren, zehn Jahre später kein erhöhter Zigarettenkonsum, und auch in der Zürich-Studie (Angst 1993) sind die Raten von Nikotinabhängigkeit bei Personen mit sozialer Phobie nicht erhöht. Eine weitere Angststörung, für die sowohl in klinischen als auch in epidemiologischen Studien ein Zusammenhang mit Nikotinabhängigkeit relativ konsistent nachgewiesen wurde, ist die Panikstörung. Analysen der EDSP-Daten ergaben zur Basisuntersuchung starke Assoziationen zwischen Panikattacken bzw. Panikstörungen mit gelegentlichen Nikotinkonsum, mit regelmäßigen Nikotinkonsum, mit regelmäßigem Nikotinkonsum und mit Nikotinabhängigkeit. In differenzierten prospektiven Auswertungen war allerdings nicht eindeutig nachzuweisen, dass vorausgehende Panik mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für den Beginn von Nikotinkonsum und -abhängigkeit assoziiert ist. Dagegen wurde umgekehrt eindeutig belegt, dass Rauchen ein Risikofaktor für nachfolgende Panikattacken darstellt (Breslau u. Klein 1999; Isensee et el. 20013; Johnson et al. 2000).

Von Sebastian

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